Lebenssucher* by Lily Braun
Autor:Lily Braun [Braun, Lily]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: MOST Publishing
Siebentes Kapitel
Von Konrads Pilgerfahrt und den Wundern der heiligen Fiorenza
Ein feuchter, kühler Vorfrühlingstag. Auf der Chaussee von Hochseß nach Ebermannstadt – der nächsten Eisenbahnstation – die über das kahle Hochplateau hinüberführte, standen kleine, schmutzige Wasserlachen; langsam fielen schwere Tropfen von den spärlichen blätterlosen Bäumen am Wege; in ihren Wipfeln saßen die Krähen und kreischten. Der Wind pfiff und fauchte hier oben ungefesselt über den steinigen, dürren Boden, den nur eine dürre Grasnarbe überzog. Das klägliche Blöken der Schafe, die die Öde ein wenig belebten, klang dazwischen.
Aus den Dörfern liefen die Leute zusammen; sie standen und warteten, die Frauen in Tücher gehüllt, blaß, die Augen blau umrändert, die Männer in dicken Jacken, in deren Taschen sie die roten Fäuste vergruben.
Märzkälte ist unbarmherziger als Dezemberfrost; sie ist ein aszetischer Mönch, dessen Zerstörungswut keine Schönheit widersteht; unter ihrer Berührung wird alles häßlich.
Von fern her bimmelte ein Glöckchen, ein zweites, ein drittes antwortete. Es klang nicht, wie sonst Glocken klingen: jubelnd, tröstend, feierlich; es klang wie gleichgültiges Geschwätz.
»Sie kommen! Sie kommen!« rief ein pockennarbiger Bub und sprang vom Apfelbaum im Wirtsgarten, auf dem er gesessen hatte. Der Straßenschmutz spritzte hoch auf um ihn. Und die Neugierde erhellte die mißmutigen Gesichter. Neugierde – sonst nichts. Die Gräfin Savelli in dem Sarge dort, der sich in riesiger Silhouette vom Grau der geraden Chaussee und des bleiernen Himmels näher und näher kommend abhob, war ja nur eine Fremde gewesen!
»Vor rund zwanzig Jahren kam sie her, ich weiß es wie heute,« sagte ein alter Mann, sich umständlich in sein großes, rotes Sacktuch schnäuzend, »schön war sie und stolz wie eine Königin, schöner als deFrau Baronin, die schon damals kein Pfund Fleisch mehr auf dem Körper hatte.«
»Grad' hier an derselben Telegraphenstange stand ich,« fiel die dicke Wirtin ein, »als der Herr Baron sie vom Bahnhof holte. Mit vier Füchsen, rot wie sein Bart, fuhr er und knallte mit der Peitsche, daß mir vor Schreck der Korb aus den Händen fiel, und alle Äpfel ihm unter die Räder rollten.«
»Er hat sie dir wohl mit süßer Münze bezahlt – was?!« johlte ein junger Bursche, das eitel und vielsagend lächelnde Weib in die wulstig hängenden Wangen kneifend.
Das Lachen der Umstehenden verstummte jäh. Schwer schwankte der Leichenwagen, von sechs schwarz gedeckten Pferden gezogen, vorüber. Von Kränzen war er umhängt; die armen Blumen darin, die, wenn sie noch dem Erdreich verbunden sind, den Regen freudig aufblühend als sehnsüchtig erwartete Nahrung empfanden, aber unter seiner Berührung zum zweiten Male sterben, sobald sie gebrochen wurden, hingen welkend die Köpfchen. Ein zweiter Wagen folgte. Sonst nichts. Irgendwo bimmelte ein Glöckchen, – blechern und gefühllos.
»Ist auch der Mühe wert gewesen,« brummte eins der Weiber; die anderen nickten, zogen die Tücher fröstelnd enger um die Schultern und trotteten davon. Nur ein paar Kinder steckten noch eifrig tuschelnd die Köpfe zusammen.
»Habt ihr's gesehen,« sagte der Große mit den Pockennarben grinsend, »der Satan selbst fuhr hinterdrein in der Kutsche!« Die Kleinen sahen ängstlich hinab, wo die schwarzen Wagen Schritt vor Schritt sich weiter bewegten.
»Grasaff', dummer!« sagte ein Mädchen, »der alte Giovanni war's mit dem jungen gnädigen Herrn.
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